„und der Wagen, der rollt (weiter)… Damals Huf- und Wagenschmied – heute Autoservice (1900 – 2023)
Die Werkstätten der Huf- und Wagenschmiede für Pferde und Fuhrwerke prägten jahrhundertelang das Stadtbild von Neusiedl am See. „Weit über unsere Landesgrenzen hinaus geschätzt und gefragt.“ So erzählten Heimkehrer aus den Kriegen, dass z.B. der „Scherpflug“ des Schmiedes (Obere Hauptstraße 47-49) sogar im Banat (Ungarn /Rumänien) oder im Moselgebiet in Deutschland verwendet wurde.
Der Weinbauer und Schmied Adolf Horvath (Hauptplatz Nr. 33) spezialisierte sich bis 1948 auf die Konstruktion von „Kaleschen“. Diese komfortablen Kutschen waren ein richtiges „Statussymbol, wie heute eine Luxuslimousine“. Horvath, ebenso geschäftstüchtig wie Teke, er-setzte außerdem erfolgreich die „morschen Hölzer der alten Steinpressen durch Eisenkonstruktionen“.
Wo sich die Werkstätten der Schmieden befanden, hörte man schon von Weitem. Wurde „das Pferd beschlagen oder die Deichsel repariert“, verweilten die Kunden vor der Schmiede – ein Kommunikationsplatz. So auch vor der Werkstatt des Stefan Koppitsch (Untere Hauptstraße 5) oder der Schmiede des Alois Reinthaler am Hauptplatz Nr. 15 (1911 bis 1944).
Der letzte Huf- und Wagenschmied war Josef Kovacs. Als dann auch der von ihm 1956 entwickelte „Traubenentsafter“ durch den „Rebler“ und Pferde durch Traktoren ersetzt wurden, schloss der Schmiedebetrieb und Sohn Walter führte den Betrieb als „Schlosserei“ weiter.
Der rasante technische Fortschritt und der wirtschaftliche Aufschwung führten dazu, dass Pferde und Fuhrwerke durch benzin- und dieselbetriebene Kraftfahrzeuge (KFZ) und Landmaschinen ersetzt wurden. Der Bevölkerungszuwachs Neusiedls (3.826 EW/1951 auf 8.657 EW/2022) ließen die Motorisierung und den damit nötigen Reparaturbedarf explodieren. Es etablierten sich neue Gewerbebranchen wie Kfz-Werkstätten und Autohändler in unserer Stadt.
Der Klimawandel und das Schwinden fossiler Ressourcen etc. bewirken, dass die Suche nach neuen Energiequellen forciert wird. Benzin- und dieselbetriebene Fahrzeuge sollen zukünftig z.B. durch elektrobetriebene Fahrzeuge abgelöst werden. Alte Gewerbezweige wie die der Schmiede und Schlosser werden immer weniger – in Neusiedl am See gibt es sie gar nicht mehr. Aus diesen Berufen haben sich neue Berufssparten wie Metallbauer oder KFZ-Techniker/KFZ-Elektriker entwickelt – denn das Fahrzeug, damals Fuhrwerk und Kalesche und heute Auto, das rollt WEITER…
Quellen: Topothek Neusiedl am See; Wolf Hans. Wie es bei uns einmal war in Neusiedl am See.1955. S. 9ff; Statistik Austria Neusiedl 1869 – 2022. In: https://www.statistik.at/blickgem/G0201/g10713.pdf (Mai 2023), Hochvoltantriebe WIFI BGLD. In: https://www.bgld.wifi.at/kurs/89332x-hochvolt-antriebe-hv-2-nach-ove-richtlinie-r192021 (Mai 2023), Karte KFZ-Werkstätten und Händler Neusiedl am See: © Eva Maria Mannsberger (Listenvollständigkeit ohne Gewähr, 3/2023)
Dr. Eva Maria Mannsberger, Martin Pieber BEd